Arnd Breuning:
I. Die Passionsgeschichte vom
Leiden und Sterben Jesu Christi in der Darstellung des Evangelisten
Johannes (Johannes
18 und 19)
1.
Die Stellung des Johannesevangeliums innerhalb der vier Evangelien
Alle
vier Evangelien haben jeweils am Schluss ihrer Darstellung und
Verkündigung vom Leben Jesu
einen
Bericht vom Leiden und Sterben Christi aufgeschrieben (Matthäus 26 und
27; Markus 14 und 15; Lukas 22 und 23; Johannes 18 und 19). Bei allen
Vieren schließen sich nachfolgend Osterberichte an. Alle Evangelien haben
mit Sicherheit vorgegebene Quellen benutzt, sie sind dadurch keine
Augenzeugenberichte. Durch die gemeinsamen Quellen ergeben sich einerseits
viele erstaunliche Übereinstimmungen bis in den Wortlaut hinein.
Andererseits finden sich auch bezeichnende Unterschiede, ganz besonders,
wenn man die Erzählungen der sogenannten Synoptiker (Markus, Matthäus,
Lukas) und eben des Evangelisten Johannes liest. Johannes nimmt mit
seinem Evangelium und auch mit seiner Passionsgeschichte eine
Sonderstellung ein.
Gemeinsamkeiten
in den Erzählungen. Übereinstimmend
schreiben alle vier Evangelien vom Einzug Jesu in Jerusalem, vom
Todesbeschluss des Synhedriums, von der Salbung in Bethanien, vom Verrat
des Judas, von einem Abschiedsmahl, von der Ansage der Petrusverleugnung,
vom Gebet Jesu in Gethsemane, von seiner Gefangennahme durch die
hohenpriesterlichen Knechte bzw. einer gewissen Verteidigung Jesu durch
seine Jünger, vom Verhör und der Überstellung an den Römer Pilatus,
von der Verurteilung, Geißelung, Dornenkrönung, von Kreuzigung, Sterben
und Tod Christi und schließlich der Auffindung des leeren Grabes und
bezeugen die Auferstehung.
Unterschiede
bei Johannes. Bei
Johannes fällt auf, dass einige uns von den Synoptikern überlieferte
Einzelheiten fehlen oder anders dargestellt sind. An Personen wie Simon
von Kyrene, der das Kreuz Jesu vor die Stadt trug, wie die Schächer zur
Rechten und zur Linken mit ihren Worten, wie der bekennende römische
Hauptmann unterm Kreuz oder wie des Pilatus Frau ist Johannes aus irgend
einem Grund nicht interessiert und erwähnt sie nicht. Dafür erhalten
Maria und der Lieblingsjünger Johannes je ein eigenes Wort vom Kreuz
herab (Siehe, das ist deine Mutter, das ist dein Sohn). inzelheiten wie
die Finsternis um die Mittagszeit, das Zerreißen des Vorhangs im Tempel,
das Krähen des Hahns, ja nicht einmal das Abendmahl mit den
Einsetzungsworten werden im Johannesevangelium genannt, dafür aber zum
Beispiel die Fußwaschung und dass die Kreuzesinschrift in lateinischer,
griechischer und hebräischer Sprache zu lesen war. Es fehlen die
Anschuldigungen vom Tempelabbruch in drei Tagen und das Spottwort: Steige
herab vom Kreuz, hilf dir selber und lass sehen, ob Elia komme und dir
helfe. Das Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen bei
Matthäus und Markus und das Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was
sie tun bzw. Meinen Geist befehle ich deine Hände nach Lukas sind bei
Johannes ersetzt durch andere Kreuzesworte, wovon das in der Sterbestunde
gesprochene Es ist vollbracht das bekannteste ist.
Die
andere Anlage des Evangeliums.
Auffällig ist auch, dass die Passionsgeschichte bei Johannes von
vorneherein ganz anders aufgeteilt ist. Sie beginnt schon mitten im
Evangelium ab Kapitel 11,47 unmittelbar nach der Erzählung von der
Auferstehung des Lazarus! Todesbeschluss, Salbung, Einzug, Bezeichnung des
Verräters, Gebet in Gethsemane ,Ansage der Petrusverleugnung ,
Fußwaschung, - das alles findet sich bereits in der Mitte des Evangeliums
in den Kapiteln 11,47 - 13, 38 und nicht wie sonst in den Evangelien am
Ende. Man muss also bei Johannes mit dem Lesen der Passionsberichte
eigentlich schon viel früher einsetzen, schon ab der Mitte seines Werkes.
Das findet (leider?) z. B. auch in der Johannes-Passion von Bach keine
entsprechende Berücksichtigung. Bach beginnt seine Musik erst bei Kapitel
18, die Darstellung von 11,47-13,38 setzt er stillschweigend als bekannt
voraus! Zwischen Kapitel 13 und 18 sind bei Johannes in Kap. 14-16
Abschiedsreden eingefügt und in Kapitel 17 das berühmte
hohepriesterliche Gebet Jesu für die Jünger, für die Gemeinde und für
die Welt und dass sie alle eins seien (17,21). Erst nach diesem, für
Johannes offenbar sehr wichtigen Zwischenabschnitt, erfolgt in Kapitel 18
die Fortsetzung mit der weiteren Passionsgeschichte.
Das
Christusbild. Auch
das Christusbild des Johannesevangeliums ist von vorneherein ein anderes
als das der übrigen Evangelien.
Jesus Christus ist bei Johannes nicht der, der etwa in Gleichnissen,
Streitgesprächen oder in der zündenden und mahnenden Bergpredigt spricht
und sich von Mose als neuer Lehrer der besseren Gerechtigkeit (Matth.5,20
und 21ff) unterscheidet bzw. darum den Ärger der jüdischen Gläubigen
hervorruft (Mk 3,6). Jesus ist bei Johannes auch nicht der, der die
Dämonen austreibt, Krankheiten bekämpft, unzählige Wunder vollbringt,
der die Armen des Volkes selig preist und die Kinder segnet (Mk 10,13ff).
Bei Johannes ist Christus vielmehr derjenige, der entsprechend der
symbolträchtigen heiligen Siebenerzahl genau sieben überwältigende
wundersame Gottestaten als Symbol-„Zeichen“(Joh.2,11) vollzieht.
Diesen Wundertaten schließen sich jeweils tiefsinnige Meditationen an,
etwa zum Brot, zum Wasser, zum Licht, zu Tod und Auferstehung . Es ist
der erhöhte Christus, der sich in Machttaten zu erkennen gibt und der in
seinen Ich-bin-Worten vollmächtig zu den Jüngern redet. Auch bei den
Ich-bin-Worten ist die Siebenerzahl vorgegeben. Sechs Worte ( Ich bin das
Brot des Lebens 6,35, das Licht der Welt 8,12, die Tür 10,9, der gute
Hirte 10,11, die Auferstehung und das Leben 11,25, Weg und Wahrheit und
Leben 14,6) werden bis Ende Kapitel 17 gesprochen sein. Das siebte Wort
des Gottessohnes aber findet sich in der Passionsgeschichte des 18.
Kapitels (Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt
gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit
ist, der hört meine Stimme 18,37b). Die ganze weitere Passionsgeschichte
ist die Erfüllung und Bezeugung dieses siebten Ich-bin-Wortes. Jesus
Christus, so verkündet es das vierte Evangelium, ist der
wahrhaftige König und Herr, der in der Erniedrigung seines Leidens und
Sterbens ganz und gar Gottes Willen „erfüllt“. Der Auftrag Jesu wird
deshalb im ganzen Evangelium bis hin zum Kreuz die „Verherrlichung“
Gottes (12, 23; 13,1; 17,1 usw) genannt, ist also keine Niederlage,
sondern die Erfüllung von Gottes Gedanken. Am Kreuzesstamm wird Jesus
buchstäblich „erhöht“(3,14; 8,28; 12,32.34,nicht erniedrigt. Die
Macht, die Majestät, der Lichtglanz Gottes für das lichtlose Dunkel der
Menschheit –so könnte man die „Verherrlichung“, die „doxa“(griech.),
die „kabod“(hebräisch), die in Jesus erschienen ist, übersetzen. In
Joh 1,14 nimmt Jesus Menschengestalt an, wird „Fleisch“ und stirbt am
Kreuz, doch so und nicht anders zieht die Herrlichkeit Gottes in die
Menschenwelt ein.
2.
Fünf Einzelaspekte im Bericht von Johannes 18 und 19 als Verdeutlichung
Es
ist nun reizvoll, auch in Einzelauslegungen dieses Christusbild des
Johannesevangelisten zu entdecken. An fünf Beispielen soll gezeigt
werden, wie neu und intensiv der Johannesbericht die Gestalt Christi
beleuchtet und für die damaligen (und wohl auch heutigen) Lebensfragen
entdeckt.
a)
Die Ich-bin Rede Jesu und die Ich-bin-es-nicht Antwort des Petrus (18,
5.6.8.und 18, 17.25).
Äußerlich
gesehen sind die Fakten in Johannes 18, 1-27 ähnlich erzählt wie in den
drei anderen Evangelien. Der Verräter Judas, die Schar der Knechte,
Lampen und Fackeln, die peinliche Verleugnung des Petrus sind die
wichtigsten Stichworte. Wir erkennen die durchgehende Passionserzählung
aller Evangelien auch bei Johannes. Auf kleinere Ausnahmen bzw.
Änderungen braucht hier jetzt nicht eingegangen zu werden (z. B. der Bach
Kidron, das Ohr des Knechts mit dem besonderen Namen Malchus, das „Kohle“feuer
der Knechte im Hof, der fehlende Judaskuß u.a.). Der entscheidende
Unterschied findet sich aber in der Leitfrage Jesu dieses Abschnitts und
in der Antwort, die er selbst gibt und die Petrus nicht geben kann. Diese
Leitfrage lautet: Wen sucht ihr? Gemeint ist damit die grundsätzliche
Frage aller Menschen, nicht nur der Jünger. Wen oder was sucht der Mensch
in seinem Leben? Christus gibt darauf die Antwort. Sie ist, psychologisch
gesprochen, die Antwort dessen, der bereits in der Ganzheit seiner
Existenz vor Gott lebt und nicht mehr suchen muss. Er kann darum den
Menschen die richtige Auskunft geben. Sie lautet: Ich bin´s!!
(18,5.6.8) Dreimal also, unüberhörbar trinitarisch dogmatisch, erscheint
dieses „Ich bin es“. Für den Johannes-Evangelisten ist in Christus
die Lebensfülle, die Lebensganzheit erschienen! Das
übermittelt der Evangelist Johannes seinen Lesern unüberhörbar.
Umgekehrt steht es dagegen bei dem Jünger Petrus. Zweimal muss er sich
verneinen. Er sagt: „Ich bin es nicht“ (18, 17.25). Diese Antwort
steht diametral der Christusantwort entgegen. Der Jünger Petrus, immerhin
der erste in der Jüngerschar, steht für Menschen, die diese Ganzheit
und Fülle nicht( oder noch nicht) an sich tragen. Ich bin´s nicht,
müssen sie sagen. Sie fühlen sich in ihrem Leben nicht ganzheitlich. Sie
finden nur schlecht das ganze Ich. Solche Menschen ,wie etwa hier Petrus,
verleugnen sich, müssen schweigen, drehen sich ab. Auch Judas und den
Kriegsknechten fehlt diese Ganzheit. Sie sinken vor dem göttlichen
Ganzheitswort Jesu „Ich bin es“ wie tot zu Boden(18, 6)! Johannes
enthält also eine theologisch bedeutsame Veränderung. Er ist sehr viel
reflektierter, grundsätzlicher, bedachter geschrieben. Er kennt die
innerste Not des Menschen, seine Verneinung: Ich-bin-es-nicht. Jesus
ist derjenige, der mit der Fülle des Seins unter die Menschen getreten
ist. An ihm scheiden sich Wahrheit und Unwahrheit, Fülle und Mangel,
Offenheit und Verdecktheit, Sein und Nichtsein, Leben und Tod.. Johannes
gibt inmitten der Passionserzählung eine tiefe theologische Antwort auf
Sein oder Nichtsein des Menschen und der ewigen Suche nach dem Wahren.
Christus mit seinen Ich-bin-Worten hat sich schon vor der Passion als
Gottes Wahrheitsträger und Mittler des neuen Seins geoffenbart. Nun
wird in der Passion in einer letzten Konkretheit und Offenheit dieses „Ich-bin“
nochmals geklärt und gedeutet und den Hörern des Evangeliums als Angebot
des Heils vor Augen gestellt. Der in die Passion nach dem Willen
Gottes gehorsam gehen muss, bringt Leben, Fülle und Ganzheit dem
Menschen zurück.
b)
Die Gewalt der Liebe und die Macht des Bösen (18,
22.23). Berühmt geworden in den Zeiten der Friedensbewegung ist das hier
zu findende Wort Christi vom Umgang des Vollkommenen Gottes mit Gewalt und
Macht des Bösen! Ein Kriegsknecht schlägt Jesus mitten ins Gesicht und
versucht mit der Faust das Wort Jesu zu besiegen. Jesus schlägt nicht
zurück. Er geht auch nicht mit angeblicher Großzügigkeit und
intellektueller Überlegenheit über die Kleinlichkeit des Bösen hinweg.
Jesus widersteht dem Bösen. Er stellt zwei Gegenfragen: Habe ich recht
geredet, was schlägst du mich? habe ich übel geredet, kannst du es
beweisen?. Jesus begegnet also dem Bösen keineswegs mit blindem
Pazifismus, der alles an sich geschehen lässt. Er verweigert allerdings
den Einsatz von Gegengewalt. Er hätte z.B. den Kriegsknecht zu Boden
fallen lassen können, wie an anderer Stelle die Judasknechte in 18,.6.
Jesus aber entgegnet mit der Herrlichkeit und Klugheit des Wortes und mit
seiner nicht aufhörenden Liebe. Es werden also keine blanken
Vergeltungsschläge und Waffen eingesetzt wie derzeit im
Israel/Palästina- oder Afghanistankonflikt, um irgend ein Recht
durchzusetzen. Die Liebe kämpft mit und um das Gegenüber, aber sie will
nicht niedermachen. Sie wird kein Unrecht auf ein anderes setzen. Sie
kämpft mit offenem Visier und sie resigniert nicht! Sie wehrt dem Bösen,
aber mit friedlichen und ausgewogenen Mitteln und mit der klugen Macht des
Mundes, weil sie von der Macht der Liebe überzeugt ist. Eine
Johannespassion singen, ohne auf Frieden zu sinnen, ist wohl fehl am
Platze! Johannes der Evangelist hat in den Versen 18, 22.23 seine
Gemeinde zu einer Theologie des Friedens und der Liebe aufgerufen. Das
Bild des geschundenen und geplagten Gottessohnes ist nicht denkbar ohne
den positiven Verweis und das Vertrauen in die mächtigere göttliche
Liebe, deren Garant und Überbringer der hoheitliche, vollkommene Christus
selbst ist.
c)Der
menschliche Richter und der göttliche Richter (18,
28-19,11). Zu aller Zeit müssen Menschen Angst haben vor den Machthabern.
Nicht anders auch in der nachjesuanischen Zeit des Johannesevangeliums.
Dieses wurde wohl zwischen 90 und 100 nach Christus aufgeschrieben. Die
Quellen stammen freilich aus viel früherer Zeit. In der Zeit des Kaisers
Titus ab 70 und vor allem Domitians ab 80 wurden Christen verfolgt. Vor
diesem zeitlichen Hintergrund muss man die Geschichte vom menschlichen und
göttlichen Richter lesen. Jesus sagt: Du hättest keine Macht, wenn es
dir nicht von oben gegeben wäre (19,11)! Welch ein befreiender Satz für
alle von Machthabern gehöhnten und geknechteten Menschen! Kein Machthaber
der Welt, der nicht letztlich von oben her Macht verliehen bekommen hat,
aber sie vor allem auch nach oben hin verantworten muss! Pilatus wird
durch Christus in seine Grenzen gewiesen. In diese Szene ist nun auch das
siebte Ich-bin-Wort des Christus eingegliedert. Jesus bekennt sich als
König der Wahrheit. Ich bin gekommen, dass ich für die Wahrheit zeugen
soll, sagt er schlicht. Er ist ein König ohne Ansprüche und
Herrschaftsallüren. Wahrheit ist im Hebräischen ein Begriff, der neben
Klarheit auch Vertrauen, Gerechtigkeit, Geradlinigkeit, Sozialität in
sich trägt. Jesus tritt für die Wahrheit ein. Das Wort Gott gebraucht er
dabei nicht, aber gerade so ist Gott in der Welt! Solches Wahrsein ist
immer auf Gottes Seite! Machthaber wie Pilatus und andere müssen sich
anfragen lassen, ob ihr Tun die Gerechtigkeit, die Sozialität und
Menschenliebe Gottes widerspiegelt oder nur Eigengerechtigkeit und
Selbstbespiegelung ist. Das Reich dieses Ich-bin-Christus ist jenseitig
und diesseitig zugleich, weil es sich nach oben hin verantwortet und weil
es für diese Welt arbeitet. Jeder weltliche Machthaber oder
Amtsträger soll sich nach dieser göttlichen Wahrheit Christi und nach
seiner menschlichen Gerechtigkeit ausrichten, wenn er das Amt recht
ausführen will Auch die Verfolgten und Unrecht Leidenden sollen wissen,
dass am Ende der jetzt gekreuzigte, aber erhöhte Herr im Regiment sitzt..
d)
Sehet welch ein Mensch!
(19,5) Mit Recht wird dieser Satz als eines der ergreifendsten Worte der
gesamten Heiligen Schrift bezeichnet. Das Christusbild wäre falsch,
wenn es in all seiner Ganzheitlichkeit Gottes nicht auch die totale
Ganzheitlichkeit der Menschen in sich trüge Wie kein Zweiter hat
Johannes dies in seinem Christusbild überliefert. Die ganze Schäbigkeit
des Menschen, seine Unklarheit und Unentschlossenheit(wie Pilatus), seine
Grausamkeit (wie die Kriegsknechte), seine Kläglichkeit (wie Petrus),
seine Kleinlichkeit (wie die Hohenpriester 19,.21), sein hasserfülltes
Geifern (wie die Juden 19,12.15) – dies alles trägt Jesus mit, weil er
der Mitmensch unter solchen Menschen wurde. Die wahre Mitmenschlichkeit
drückt sich darin aus, dass er mit und für diesen Kontext lebt und
leidet. Er kennt den Urschrei der Menschen im Durst nach dem Leben
(19,28). Und von Jesus wird darum gesagt, dass er für die Seinen Sorge
trägt bis zuletzt (18,9). Keinen lässt er los oder vergisst ihn.
Zweifellos hat Johannes damit von allen Evangelisten das
geprägteste Bild vom Menschen Jesus überliefert, obwohl er auch das
göttlichste Bild von ihm weiter gegeben hat. Bis zum Tod bleibt Jesus der
Sendung von oben herab treu und bringt so das Menschsein schlechthin zu
Gott. Diese Treue, Wahrheit und Ganzheitlichkeit helfen der Gemeinde in
ihrem Existenzkampf mit der Welt!
e)
Es ist vollbracht. (19,30)
Anders als die anderen Evangelien schließt das Johannes-Evangelium mit
einem getrosten Todesruf Jesu. Es ist vollbracht. Jesus hat alles getan,
was für seine Schutzbefohlenen nötig war. Er hat der Welt Gottes Namen
geoffenbart (17,6). Er tut Fürbitte für die Menschen (17,9). Er gibt
ihnen die ganze Liebe Gottes (17,26). Er verliert keinen einzigen
Menschen, den Gott ihm anvertraut hat (18,9). Er verurteilt die Menschen
nicht, er verurteilt nur den Bösen, der hinter der Sünde der Menschen
steht (19,11). Jesus stirbt als der wahre Mensch Gottes für das ganze
Volk, für alle ohne Ausnahme (18,14). Nun ist das Werk vollbracht, und
Jesus wird verherrlicht und erhöht zum Vater. Der Tod Jesu ist in der
Sicht des Johannesevangelisten kein Unglück, keine Niederlage, kein
Aufgeben, sondern ist Verherrlichung Gottes, ist der Durchbruch und Sieg
des göttlichen Geschehens. Jesus
gibt mit dem Kreuzestod sein Werk in die Hände Gottes zurück. Im Kreuz
leuchtet die Vollendung auf, denn Gottes Widermächte sind durch die Liebe
besiegt.
Zusammenfassung.
Im
Johannesevangelium und seinem Passionsbericht liegt ein besonderer Entwurf
der Heilsbotschaft Christi vor .Die Gemeinde Jesu muss zwar vor dieser
Welt bestehen und in ihr kämpfen. Sie trägt aber eine Verheißung mit
sich. Christus ist Richter und Retter der Menschen. Seine nicht endende
Liebe ist mächtiges Vorbild für alles Tun und wird am Ende siegen.
Christus in seiner Ganzheitlichkeit bestärkt die Menschen in ihrem
angeschlagenen Ich. Christi Tod ist Gottes Herrlichkeit gegen die
Machtbotschaften der Welt, die gefährdete Welt bleibt als Gottes geliebte
Welt erhalten. Wer das Johannesevangelium gelesen und seine Botschaft
vernommen hat, wird erfüllt von göttlicher Kraft und Erkenntnis. Er
sieht über diese Welt hinaus und bleibt dem göttlichen Sinnen nahe.