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Ein Leben nach dem Tode

Glauben Sie fragte man mich

An ein Leben nach dem Tode

Und ich antwortete: ja

Aber dann wußte ich

Keine Antwort zu geben

Wie das aussehen sollte

Wie ich selber

Aussehen sollte

Dort

Ich wußte nur eines

Keine Hierarchie

Von Heiligen auf goldenen Stühlen

Sitzend

Kein Niedersturz

Verdammter Seelen

Nur

Nur Liebe frei gewordene

Niemals aufgezehrte

Mich überflutend

Kein Schutzmantel starr aus Gold

Mit Edelsteinen besetzt

Ein spinnenwebenleichtes Gewand

Ein Hauch

Mir um die Schultern

Liebkosung schöne Bewegung

Wie einst von thyrrhenischen Wellen ...

Wortfetzen

Komm du komm

Schmerzweh mit Tränen besetzt

Berg.– und Talfahrt

Und deine Hand

Wieder in meiner

So lagen wir lasest du vor

Schlief ich ein

Wachte auf

Schlief ein

Wache auf

Deine Stimme empfängt mich

Entläßt mich und immer

So fort

Mehr also, fragen die Frager

Erwarten Sie nicht nach dem Tode?

Und ich antwortete

Weniger nicht

Marie-Luise Kaschnitz

 

 

Auferstehungstraum

Wir träumen einen Traum und wenn auch alle lachen

wir träumen einen Traum von einer bessern Welt.

Da sind die Blumen nicht aus Schaum,

da sind die Tränen nicht aus Glas,

da ist die Freude nicht geschminkt,

da ist das Leben schön.

Wir träumen einen Traum und wenn auch alle mahnen,

wir träumen einen Traum von einer bessern Welt.

Da sind die Helden mangelhaft,

da sind die Eichen angesägt,

da ist die Wahrheit nicht gezinkt,

da ist das Leben schön.

Wir träumen einen Traum und schenken ihm das Leben,

wir träumen einen Traum und machen uns die Welt.

Da ist der Mensch dem Menschen gleich,

da ist der Christus ganz aus Fleisch,

da ist die Auferstehung wahr,

da ist das Leben schön.

G. Hildebrandt

aus: Für jeden neuen Tag 19, 1990 S.2

 

Osterfenster von Johannes Schreiter