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READER—Was kommt nach dem Tod?

Textfeld: Was geschieht im Sterben?
Die Antwort, die die griechischen Philosophen Sokrates und Plato auf diese Frage gaben, lautet: Im Tode trennt sich die unsterbliche Seele von ihrem Körper, um nun zur vollen Entfaltung ihres Lebens zu gelangen. Der Körper wird als ein Gewand der Seele betrachtet, ja manchmal sogar als ein Kerker, aus dem sie durch den Tod befreit wird
Diese Auffassung ist auch unter Christen weit verbreitet, und viele haIten sie für die christliche Ewigkeitshoffnung schlechthin. Was sagt das Neue Testament zur Unsterblichkeit der Seele? Für die ganze Bibel gilt:
Gott allein ist unsterblich (1 Tim 6,16). Deshalb gebraucht die Bibel den Ausdruck »Unsterblichkeit« nicht für den Menschen. Zwar unterscheidet das Neue Testament auch zwischen Leib und Seele, aber es sieht hier - anders als die griechischen Philosophen - keinen Gegensatz. Leib und Seele bilden eine Einheit, der Leib ist nicht ein entbehrliches Gewand, er gehört genauso zum Menschsein wie die Seele. Statt: »Der Mensch hat Leib und Seele« müßte man dem Neuen Testament entsprechend besser sagen: »Der Mensch ist Leib und Seele.« Alles, was dem Menschen widerfährt, betrifft ihn als Ganzheit. Er ist mit Leib und Seele gut geschaffen. Die Sünde ist nicht nur etwas Äußerliches, sie berührt gerade auch das Innere des Menschen. Der Tod ist nicht ein Abstreifen des lästigen Körpers sondern er betrifft den ganzen Menschen. Nach Leib und Seele Seele zerbricht der Mensch im Tode. Die Christen vertrauen nicht darauf, daß sie von sich aus ein Stück durch den Tod hindurchretten könnten, sie hoffen vielmehr auf den Gott, der Christus von den Toten auferweckt hat und der auch sie auferwecken wird. Diese Hoffnung gilt wieder dem ganzen Menschen als einer Einheit aus Leib und Seele. Er wird verwandelt und bleibt doch der, der er ist. Diese Spannung von Identität und Verwandlung kennzeichnet die neutestamentliche Auferstehungshoffnung.
Wie verhält sich die Auferstehungshoffnung zur Lehre von der Unsterblichkeit der Seele? Beide Auffassungen berühren sich im Gedanken an ein Leben nach dem Tode, sie unterscheiden sich aber grundlegend darin, wie sie die Leiblichkeit des Menschen bewerten. Christliche Theologen haben - wie schon vor ihnen jüdische Theologen - versucht, beide Auffassungen miteinander zu kombinieren:
1.	Im Tode trennt sich die unsterbliche Seele vom Leib.
2.	Für das Schicksal der Seele gibt es mehrere Möglichkeiten:
a)	sie erlangt sofort die Seligkeit, die Gemeinschaft mit Gott im Himmel;
b)	sie muß zunächst geläutert werden (Fegfeuer), bevor sie zu Gott kommt (römisch-katholische Kirche);
c)	sie wird von Gott getrennt, das heißt, sie kommt in die Hölle.
3.	Am Ende der Zeit werden die Leiber der Toten auferweckt und mit ihren Seelen wieder vereinigt.